Juli /

31

/ 2018

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Lernstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Komorbidität, Förderbedarf

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Lerndefiziten und Verhaltensproblemen?

lauth

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Lerndefiziten und Verhaltensproblemen?

Lese- Rechtschreibstörungen oder Rechenschwäche wurden zwar in zahlreichen Studien untersucht, zumeist wurden dabei aber nur die kognitiven Fähigkeiten hervorgehoben. Der Frage, inwieweit diese Lernstörungen auch mit Verhaltensauffälligkeiten zusammenhängen, wurde hingegen weit seltener nachgegangen. Forscher der Universitäten Würzburg und Frankfurt wollten diesem Mangel abhelfen. Sie untersuchten inwiefern Lerndefizite und Verhaltensproblemen miteinander verknüpft sind: Weisen also Schüler mit dauerhaften Lernschwierigkeiten mehr und ausgeprägtere Verhaltensauffälligkeiten auf als Schüler mit nur vorrübergehenden Lernschwierigkeiten?

Eine Stichprobe von N=88 Schülerinnen und Schülern aus Unterfranken wurde zu Beginn der zweiten Klasse über mehr als zwei Jahren hinweg in halbjährlichem Abstand auf ihre schriftsprachlichen und mathematischen Fähigkeiten untersucht. Zusätzlich erfasste man die kognitiven Basisfertigkeiten und die sozio-emotionale Situation dieser Schüler mittels Grundintelligenztest Skala 1 (CFT1) und der Child Behavior Checklist (CBCL). Die Schüler wiesen (1) Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb (LRS)-Gruppe; (2) Rechenschwäche (RS); (3) Kombinierte Schwäche (KOM) auf oder (4) kamen aus einer unauffälligen Kontrollgruppe (KG).
Die Schüler in den drei klinischen Gruppen waren durchschnittlich intelligent (IQ-Wert >85). Sie wiesen jedoch eine Diskrepanz von mindestens einer Standardabweichung (SD=1.0) zwischen der Schulleistung und ihrer Intelligenz auf. Und schließlich lag ihre Schulleistung unter dem Prozentrang 25 (<25). Die Kontrollgruppe zeigte hingegen in all diesen Bereichen mindestens durchschnittliche Werte.

Als Testverfahren der Schulleistungen kamen der Heidelberger Rechentest (HRT1-4), der deutsche Rechtschreibtest (DERET), und die Würzburger Leise-Leseprobe, zum Einsatz.
Ergebnisse: Zum letzten dritten, Messzeitpunkt waren in der Kontrollgruppe 9,6%, in der Gruppe der Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) 28,6%, in der Gruppe „Rechenschwäche“ (RS) 15,4% und in der Gruppe kombinierte Schwäche (KOM) 44,4% der Schüler von einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung betroffen. Bei den Kindern mit Lernschwäche zeigten sich zudem mehr Verhaltensprobleme als in der Kontrollgruppe. In der Art der Verhaltensprobleme konnten jedoch keine Unterschiede zwischen den lese- rechtschreibschwachen Schülern und den rechenschwachen Schülern gefunden werden.
Bei stärkerer Lernschwäche gab es mehr Verhaltensauffälligkeiten. Außerdem wenn mehrere Lernschwächen zusammenkamen und wenn die Schüler eine andauernde Lernbeeinträchtigung hatten.

Kommentar: Die Ergebnisse zeigen, dass man zwischen isolierten und kombinierten sowie zwischen vorübergehenden und überdauernden Lernstörungen unterscheiden muß, weil kombinierte und persistierende Lernstörungen für Verhaltensauffälligkeiten prädisponieren. Außerdem ist neben einer sorgfältigen Untersuchung der Lernleistungen auch eine umfassende Befunderhebung zur sozial-emotionalen Befindlichkeit des Schülers notwendig.

Quelle:
Endlich D., Dummert F., Schneider W., Schwenck C. 2014). Verhaltensprobleme bei Kindern mit umschriebener und kombinierter schulischer Minderleistung. Kindheit und Entwicklung, 23 (1), 61-69 (2014).