Dezember /

06

/ 2018

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Jüngere Kinder erhalten öfter die Diagnose ADHS

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Viele Kinder bekommen Psychopharmaka gegen ADHS. Einer aktuellen Studie zufolge jedoch möglicherweise nur, weil ihr Geburtstag kurz vor dem Stichtag für die Einschulung liegt. Möglicherweise wird ihre Unreife als psychische Störung fehlgedeutet.
Eine Studie, welche knapp 12 000 Kindern in den USA untersuchte, zeigt, dass Stichtage über Krankheitsgeschichten entscheiden können („Journal of Health Economics“). Laut Studie haben die jüngsten Schüler in den Eingangsklassen der Grundschulen eine um 60 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte ihnen eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bescheinigen. Dieser Risikofaktor wirkt weit in die Schullaufbahn hinein. So haben im Vergleich mit den ältesten Schülern die jüngsten Schüler der achten Stufe eine fast doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, eine ADHS-Diagnose bescheinigt zu bekommen. In manchen US-Bundesstaaten werden Kinder nur in die Schuleingangsstufe aufgenommen, wenn sie bis Ende November fünf Jahre alt geworden sind. 6,8 % dieser November-Kinder haben der Studie zufolge eine ADHS-Diagnose. Unter den Dezember-Kinder, die fast ein ganzes Jahr älter sind, sind es hingegen nur 1,9 %.
Ursächlich hierfür ist laut Todd Elder, Assistant Prof. an der Michigan State University in East Lansing, dass manche Lehrer den altersbedingten Rückstand ihrer jüngsten Schüler fehlinterpretieren, eine Störung vermuten und daher den Eltern empfehlen, einen Kinderpsychiater aufzusuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Schuleingangsalter stärkere Auswirkungen auf die Wahrnehmung des kindlichen Verhaltens durch die Lehrer, als durch die Eltern hat (Elder, 2010, S.18).
Dabei spiegeln laut Elder diese Symptome oftmals lediglich die emotionale und intellektuelle Unreife der jüngsten Schüler wieder. Der Forscher hält aus diesen Gründen jede fünfte ADHS-Diagnose für falsch und empfiehlt als Konsequenz die Möglichkeit einzuräumen, unreife Kinder ein Jahr später einzuschulen.
Quelle
Elder, T. (2010). The Importance of Relative Standards in ADHD Diagnoses: Evidence Based on a Child’s Date of Birth. Journal of Health Economics, 29(5): 641-656.