Juli /

19

/ 2019

article

Lernstörungen, Lerntherapie, Grundlagen der Lerntherapie, Lesestörung, Rechenstörung, Kombinierte Lernstörung, Frühprävention bei Lernstörung, phonologische Fähigkeiten, Teilleistungsstörungen

Lernstörungen bereits im ersten Schuljahr erkennen und beheben – Frühprävention bei Lernstörungen

Volkmer, S., Galuschka, K., & Schulte-Körne, G.

Eine Gruppe um Schulte-Körne hat sich die beginnenden Lesestörungen zugewendet und Methoden entwickelt, um diese bereits in der Mitte des ersten Schuljahres zu erkennen und den Rückständen beim Lesen früh zu begegnen. Dem Abwarten (wait-to-fail) sollte vorgebeugt und wirksame Interventionen aufgedeckt werden.

Die Studie untersuchte zunächst 234 Schulkinder aus der Mitte des ersten Schuljahres auf ihre Leseleistung. Die Schulkinder mit einer Leseleistung unterhalb von 30 Prozent (< 30 Prozentperzentil) gemessen in einem kurzen Lesetest wurden per Zufall zwei verschiedene Interventionen zugewiesen:

  1. Ein 6-wöchiges Training in phonetischen Fertigkeiten (n = 29). Hier wurde ein Training durchgeführt, das insgesamt 18 Einheiten mit steigender Schwierigkeit umfasste. Die ersten 10 Einheiten bezogen sich auf die Korrespondenz von Graphemen und Phonemen (z. B. Buchstaben-Laut Verbindung; Buchstaben finden; Wörter Lesen, Pseudowörter Lesen, Wörter zusammensetzen). Der zweite Teil (Einheiten 11-18) war der Gliederung und Zusammensetzung von Wörtern gewidmet (z.B. Silben bilden, Wörter in Silben aufteilen, Silben zu Wörtern umformen, passende Vorsilben finden). Hierfür hatten die eingesetzten Trainer ein Manual zur Verfügung; die Schulkinder ein Aufgabenheft.

  2. Eine Intervention zur Einübung von motorischer Kontrolle und von Koordination (n = 26). Hierbei wurden motorische Übungen veranstaltet und Gruppenspiele durchgeführt. Es besteht aus einem Training von motorischen und koordinativen Fertigkeiten sowie Gruppenspielen. Hierfür stand den Trainern ebenfalls ein Manual zur Verfügung.

Die Interventionen wurden in insgesamt 14 Kleingruppen absolviert. Es waren 7 Forschungsassistenten eingesetzt, die ein psychologisches oder pädagogisches Studium aufwiesen. Ihnen wurde nicht mitgeteilt, dass das Training zur motorischen Kontrolle als Kontrollbedingung diente. Das Training fand an drei Tagen pro Woche statt.

Die Schulkinder wiesen durchschnittliche Intelligenz auf und wurden per Zufall zwei verschiedenen Interventionsbedingungen aufgeteilt. Nach Beendigung der Förderung wurde die Lese-Leistung der so geförderten Kinder mit der Gesamtgruppe (N=234) vergleichen, um die Änderungen gegenüber der ersten Messung zu erfassen. Beide Interventionen wurden dreimal pro Woche in Kleingruppen durchgeführt. Die Gruppenzugehörigkeit wurde verblindet.

Im Ergebnis verbesserten sich die Kinder unter phonetischer Förderung deutlich mehr als die Kinder in der Kontrollgruppe mit motorischem Training. Darüber verringerte sich das Risiko für eine Lesestörung bei den Kindern, die ein phonologisches Training erhielten zum Ende des Schuljahres.

Die Autoren schließen, dass die Studie Grundlagen für wirksame schulbasierte Interventionen aufzeigt. Denn anhand des hier realisierten Vorgehens können Schulkinder mit einem Risiko für Lesestörungen früh bestimmt werden und rasch einer vergleichsweise ökonomischen Intervention zugeführt werden. Das Übliche „wait to fail“ kann damit aufgehoben werden.

Kommentar:

Die Studie zeigt, wie eine frühe und wirksame Intervention geplant und überprüft werden kann. Ihre Ergebnisse stimmen hoffnungsvoll und die phonetisch geförderten Kinder verbessern sich recht eindrucksvoll. Ihr Risiko für eine Lesestörung verringert sich. Das ist in der Kontrollgruppe nicht der Fall. Allerdings findet in der Kontrollgruppe keine spezifische Förderung statt, sondern eine Zuwendungskontrolle. Zusätzlich wäre die Erprobung an einer größeren Stichprobe nützlich.

Volkmer, S., Galuschka, K., & Schulte-Körne, G. (2019). Early identification and intervention for children with initial signs of reading deficits-A blinded randomized controlled trial. Learning and Instruction, 59, 1-12.