Dezember /

06

/ 2018

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Meta-Analyse stützt Neurofeedback als wirksame Behandlungsmethode bei ADHS

lauth

Eine Studie aus 2009 hat 15 Veröffentlichungen metanalytisch ausgewertet und Neurofeedback als ein erfolgversprechendes Therapieverfahren eingeschätzt. Die Analyse des Forscherteams aus Nijmegen und Tübingen beruht auf Therapiedaten von 1194 Patienten, davon waren 60% Kinder und 40 % Erwachsene.
Die Forschergruppe wertete 15 Studien aus, die Neurofeedback zur Therapie bei ADHS einsetzten. Die behandelten Patienten hatten ADHS / ADS als primäre Diagnose. Ihr Therapiefortschritt wurde vor und nach der Behandlung mittels folgender Instrumente erfasst: Hyperaktivität: Conners Beurteilung mit einer DSM Rating-Skala wie (CPRS-R) oder DSM-IV Rating Scale (Lauth & Schlottke); Unaufmerksamkeit: Rating-Skala wie Unaufmerksamkeit FBB-HKS, Conners (CPRS-R) oder DSM-IV Rating Scale (Lauth & Schlottke); Impulsivität: Go/No – Go Test (bei bestimmten Signalen sollen die Patienten reagieren, bei anderen hingegen nicht (No-Go-Kriterien))
Im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen erreichte Neurofeedback eine mittlere bis große Wirksamkeit in Bezug auf die Kernsymptome Unaufmerksamkeit (Effektstärke 0.81) und Impulsivität (Effektstärke 0.69). Für Hyperaktivität – einem weiteren Kernsymptom von ADHS – konnte hingegen nur eine mittlere Effektstärke (ES=0.40) nachgewiesen werden.
Verfahren genügt Gütekriterien
Damit wird Neurofeedback als wirksames Verfahren ausgewiesen, weil es die Kriterien des Level 5 der “Guidelines for Evaluation of Clinical Efficacy of Psychophysiological Interventions (2002)“ erfüllt. Diese Klassifikation setzt voraus, dass die Neurofeedback Behandlung einer glaubwürdigen Scheintherapie oder glaubwürdigen Alternativbehandlung in mindestens zwei unabhängigen Studien überlegen ist. Die Bezeichnung ist quasi ein Gütesiegel dafür, dass die Behandlung spezifisch wirkt (Quellenartikel S.181).
Drei Studien (Bakshayesh, Gevensleben et al. und Holtmann et al.) verglichen Neurofeedback mit alternativen Behandlungsmaßnahmen, wobei EMG Biofeedback gegeben oder ein Aufmerksamkeitstraining durchgeführt wurde. Diese Studien zeigten, dass Neurofeedback auch diesen Behandlungsgruppen überlegen war. Hier ergibt sich ebenfalls eine mittlere bis große Wirksamkeit für die Kernsymptome Aufmerksamkeit und Impulsivität und eine kleine bis mittlere Effektstärke bei der Verminderung von Hyperaktivität. Insbesondere die Studie von Gevensleben et. al. (2009); N=94, welche die Versuchspersonen zufällig der Neurofeedbackgruppe bzw. der Aufmerksamkeitstrainingsgruppe zuwiesen, zeigt eine mittlere Effektstärke (ES=0.55) für Hyperaktivität und eine hohe Effektstärke für Aufmerksamkeit (ES=0.97) für Neurofeedback.
Vergleich mit Behandlung durch Psychopharmaka schwierig
Psychotherapie muss sich oft an der Wirkung von Psychopharmaka messen lassen. Wie schneidet Neurofeedback im Vergleich ab? Hinsichtlich des Kernsymptoms Hyperaktivität unterscheiden sich die Behandlungsergebnisse einer medikamentösen Therapie in Bezug auf das Kernsymptom Impulsivität nicht von der Behandlung mittels Neurofeedback. Bei den Symptomen Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität kam aufgrund der unzureichenden Datenlage gegenwärtig jedoch kein aussagefähiger Vergleich zwischen einer Stimulanzientherapie und Neurofeedback zu Stande, so dass das Ergebnis zunächst offen bleibt.
Einige Daten, die die Autoren zusätzlich berichten, weisen auf eine zwar gezielte aber auch besondere Wirkung von Neurofeedback hin. Die Zahl der Übungssitzungen erhöht die Aufmerksamkeitsleistung der Patienten (p=0.04, r=.55); Hyperaktivität und Impulsivität verbessern sich aber nur bis zur Grenze von 25 Trainingseinheiten, darüber hinaus nicht mehr.
Studie berichtet nachhaltige Wirkung von Neurofeedback-Interventionen
Die Metaanalyse berichtet zudem über die langfristige Wirksamkeit der Behandlung. Heinrich et.al stellten fest, dass das Verhalten der Probanden hinsichtlich der ADHS – Kardinalsymptome drei Monate nach Trainingsende nicht nur stabil blieb, sondern sich weiter verbessern konnte.
Auch die Studienergebnisse von Strehl et.al. welche Nachuntersuchungen durchführten, die über drei Monate hinausgingen, belegen ebenfalls stabile und sich sogar im Laufe der Zeit noch deutlich verbessernde Behandlungserfolge. So steigerten sich sechs Monate nach Trainingsende die erlangten Fertigkeiten der Kinder noch weiter und die Eltern beurteilten ihre Kinder noch besser als bei Trainingsende. Zudem blieb die EEG-Selbstregulierungsfähigkeit der Kinder erhalten. Auch noch nach zwei Jahren erwiesen sich die Verbesserungen in Verhalten und Aufmerksamkeit als stabil.
Kommentar
Die vorliegende Metaanalyse ist ein ernstzunehmender Beleg für die Tauglichkeit von Neurofeedback bei der Therapie von ADHS. Nachdem Neurofeedback bisher nicht als Mittel der Wahl anerkannt wurde, liegen nun Hinweise vor, die einen zumindest probeweise klinischen Einsatz rechtfertigen.
Es gibt jedoch bislang nur wenige Untersuchungen zum Einsatz in der anwenderbezogenen Praxis, was für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens sicher nicht ohne Belang ist. Hier ist zu prüfen, ob Neurofeedback eine Alternative zu bislang angewendeten Therapien und Trainingsprogrammen sein kann.
Zur Stabilisierung der Effekte über das Trainingsumfeld hinaus (Transfereffekte), wäre es sinnvoll, die Anwendung des Neurofeedbacks so zu modifizieren, dass auch während schulisch relevanten Tätigkeiten wie schreiben, hören, lesen trainiert werden kann.
Ferner ist es notwendig, die Wirksamkeit von Neurofeedback im Vergleich zur Medikation weiter abzusichern.
Die Stabilität des Behandlungserfolgs und die Langzeitwirkung müsste weiter abgesichert werden. Hier wäre es wünschenswert wenn die, hauptsächlich von Strehl et.al. beschriebene positive Langzeitwirkung des Neurofeedbacks repliziert werden würde.
Zusätzlich wäre es interessant Neurofeedback in Kombination mit bestimmten Therapieansätzen zu untersuchen. Beispielsweise könnte eine Kombination mit einer verhaltenstherapeutischen Intervention die Wirksamkeit zusätzlich erhöhen.
Quelle:
Arns, M., de Ridder, S., Strehl, U., Breteler, M. & Coenen, A.(2009). Efficacy of Neurofeedback Treatment in ADHD: The effects on Inattention, Impulsivity and Hyperactivity: a Meta-Analysis. EEG and Clinical Neuroscience, 40(3), 180-189.