Juni /

18

/ 2021

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Sozialisationsstile

Sozialisationsstile in der Familie und die Folgen

Spiewack, M.

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Spiewack – ein Wissenschaftsjournalist der ZEIT – fasst die derzeitigen Ergebnisse zur Sozialisation in der Familie und die Folgen für die Schule zusammen. Er erörtert die These, dass die Schule der große Spalter ist, der die Unterschiede zwischen Kindern aus verschiedenen Milieus verursacht. Bei näherer Analyse gelangt er zu einem anderen Ergebnis.

Soziologen wie Skopek und Lareau untersuchten die Entwicklung von Kindern vom Babyalter bis hin zum Jugendalter. Sie widmeten sich den familiären Geschehnissen und beobachteten das Füttern und Wickeln der Babys, das Sitzen auf der Rückbank des Familienautos und nahmen an Mahlzeiten und Ausflügen teil. Ihre Beobachtungen legten sie in Protokollen nieder und häuften tausende Daten an. Dabei tauchten sie nicht nur einmal in den Familien auf, sondern etwa 15 Jahre lang. Mit den Worten von Spiewack machten sie keinen Schnappschuss, sondern drehten einen langen Film.

Zu seiner Überraschung erweist sich die Bildung der Eltern als der große Spalter. Denn Familien mit unterschiedlicher Bildung haben unterschiedliche Erziehungsgewohnheiten: Eltern aus der Ober- und Mittelschicht treten in engen Kontakt zu ihren Kindern. Sie füllen den Tag mit gemeinsamen Aktivitäten wie Spielen, Reimen, Raten, Tischdecken oder kleinen Ausflügen. Sie sprechen sehr viel, in immer anspruchsvolleren Sätzen. Bis zum vierten Lebensjahr haben ihre Kinder bereits 45 Millionen Wörter gehört und verarbeitetet. Die Eltern betreiben „gezielte Aufzucht“.

Anders in Familien mit geringerer Bildung. Hier folgen die Eltern einem abwartenden Modell der natürlichen Entwicklung, wobei die Kinder eher in Ruhe und sich selbst überlassen werden.

Beide Modelle haben dramatische Folgen: Bereits nach vier Monaten unterscheiden sich die Kinder deutlich. Diese Entwicklungsunterschiede vergrößern sich in den weiteren Lebensjahren bis Schulbeginn. Von da an bleibt der bestehende Unterschied konstant bis zum 15. Lebensjahr. Hier endet der Film zunächst.
Die Schlussfolgerung ist klar: Frühe Interventionen und gezielte Schulung der Eltern, insbesondere der Mütter, auf die es im Wesentlichen ankommt!

Kommentar
Spiewack legt eine ausgewogene und gut lesbare populärwissenschaftliche Analyse dar, die vielfach bestätigt werden kann. Er wünscht sich, dass die Wachstumskurve der Kinder aus den verschiedenen Milieus in jedem Abgeordnetenbüro hängen sollte. Wäre nicht schlecht und vielleicht hilft es, wenn Laien hin und wieder auf eine aussagefähige und wissenschaftlich fundierte Graphik schauen.

Literatur
Spiewack, M. (2021). Ungerecht von Anfang an. Zeit vom 10. Juni. Seite 33 -34.