Dezember /

06

/ 2018

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Studie findet Hinweise auf genetische Ursachen von ADHS

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n einer amerikanischen Studie fanden Forscher neue Hinweise auf eine genetische Ursache für ADHS. Bei Kindern, die an dieser Störung leiden, stellte man im Vergleich zu Kindern einer Kontrollgruppe deutliche Unterschiede im Erbgut fest. Jedoch ist die Frage, ob die alleinige Ursache der Störung in den Genen liegt.Wie ein Forscherteam um Anita Thapar, Professorin am MRC Centre für Neuropsychiatrische Genetik und Genomik an der Universität Cardiff, im Medizinjournal „The Lancet“ berichtet, weist das Erbgut von Kindern mit der psychischen Störung ADHS gegenüber unauffälligen Kindern deutliche Unterschiede auf.
Als Methode nutzten die Wissenschaftler eine Kombination aus epidemiologischen Studien und Genomanalysen. Sie nennt sich GWAS – genome-wide association study. Untersucht werden Punktmutationen, also einzelne veränderte Bausteine der DNA, die ungleich verteilt im menschlichen Genom auftreten und von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind. In der Studie wird das Erbgut von 366 Kindern mit ADHS mit dem von 1047 unauffälligen Kindern verglichen. Einbezogen waren Kinder bzw. Jugendliche im Alter von 5-17 Jahren. Den Kindern mit einer ADHS Diagnose wurden ethnisch vergleichbare Personen gegenübergestellt.
Für die ADHS Kinder wurde festgestellt, dass bestimmte Abschnitte der DNA, sogenannte Genkopiezahlvarianten (CNV), entweder in doppelter Ausführung vorliegen oder fehlen. Bei den Doppelungen handelt es sich um den Chromosomabschnitt 16p13.11. Der Unterschied zwischen ADHS Kindern und den unauffälligen Vergleichspersonen ist überzeugend groß. Außerdem wurde das Ergebnis bei einer isländischen Stichprobe mit 825 ADHS Patienten und 35243 Kontrollpersonen noch einmal nachvollzogen. Die Autoren schlussfolgern „Unsere Ergebnisse liefern genetische Belege für eine erhöhte Zahl großer CNVs bei Patienten mit ADHS. Sie lassen vermuten, dass es sich bei ADHS nicht nur um eine soziale Erscheinung handelt“ (eigene Übersetzung ins Deutsche).
Es gibt jedoch grundlegendere Kritik an der Art der Studie. Beispielsweise merkt der Populationsgenetiker David Goldstein an, dass mit der genome wide association study (GWAS) Genvarianten zu finden sind, die irgendwie mit einer bestimmten Erkrankung im Zusammenhang stehen, sich daraus aber keine seriöse Vorhersagen über das Erkrankungsrisiko treffen lassen.
Im Einklang damit stehen auch neuere Erkenntnisse, dass Gene keine einsam wirksamen Ursachen sind. Vielmehr schalten Umwelteinflüsse Gene ebenso an, wie Umwelteinflüsse nur unter einer bestimmten Genkonstellation wirksam werden. Lesch und seine Kollegen haben dies neulich beim Zusammenspiel von Genen und Umwelteinflüssen (kritischen Lebensereignissen) bei Erwachsenen mit ADHS nachgewiesen. Ihr Beitrag ist mit dem programmatischen Titel „Gen-Umwelt-Forschung …“ überschrieben (Jacob et al. 2010).
Insgesamt sind die Erkenntnisse von Thapar und ihrer Arbeitsgruppe ein sehr wichtiger Schritt zur weiteren Erforschung des Störungsbildes ADHS. Jedoch sind soziale und Umwelteinflüsse damit keineswegs als Einflussgrößen ausgeschlossen.

Quelle
Nigel, N. M., Zaharieva, I., Martin, A., Langley. K., Mantripragada: K., Fossdahl, R., Stefansson, H., Stefansson, K., Magnusson, P., Gudmundsson, O. O., Gustafsson, O., Peter Holmans P., Michael J Owen. M. J., O’Donovan, M., Thapar, A. (2010). Rare chromosomal deletions and duplications in attention-deficit hyperactivity disorder a genome-wide analysis. The Lancet, Early Online Publication, 30 September 2010.
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(10)61109-9/

Weiterführende Literatur

Goldstein D.B. (2009) Common Genetic Variation and Human Traits. New England Journal of Medicine 360;17 , S.1696-1698, Massachusetts

Jacob, C. P., Nguyen, T. T., Dempfle, A., Heine, M., Windemuth-Kieselbach, C., Baumann, K., Jacob, F., Prechtl, J., Wittlich; M., Herrmann, M.J., Gross-Lesch, S., Lesch, K-P. & Reifänke, A. (2010). A gene–environment investigation on personality traits in two independent clinical sets of adult patients with personality disorder and attention deficit/hyperactive disorder. European Archives of Clinical Neuroscience, 260, 317-326.