Januar /

29

/ 2021

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Verhaltensaktivierung

Verhaltensaktivierung - Wie könnte ein Curriculum aussehen?

Renn, B. N., Areán, P. A., Raue, P. J., Aisenberg, E., Friedman, E. C., & Popović, Z.

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Der Aufbau von Verhalten (sog. Verhaltensaktivierung) wird derzeit in der Therapie von Depressionen und Phobien, Essstörungen, chronischen Schmerzen, Dauererkrankungen sowie in der Förderung von Kindern mit Entwicklungsverzögerung (z. B. Autismus-Spektrum-Störungen, Lernstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Sozialverhaltens) vermehrt eingesetzt. Diese Beeinträchtigungen sind mit charakteristischen Verhaltensdefiziten verbunden, die die Störung zwar nicht ursächlich hervorbringen, aber fortbestehen lassen.

Mit der Aktivierung von förderlichen Verhaltensweisen können jedoch Verhaltenserfolge erzielt, Verstärkungen erlangt und soziale Anpassung verbessert werden. Die Symptomatik verringert sich infolgedessen (siehe Newsletter „Verhaltensaktivierung bei chronischer Erkrankung“). Deshalb werden beträchtliche Hoffnungen in die Therapietechnik gesetzt.

Renn et al. (2021) fragten sich, wie man Berater und Therapeuten in der Technik der Verhaltensaktivierung ausbilden kann und wie das dazu gehörige Curriculum beschaffen sein sollte.

Dazu haben sie ein Curriculum entwickelt und in der Ausbildung von 17 Studierenden (Bachelor) in vorläufiger Weise überprüft. Das Curriculum besteht aus drei therapeutischen Grundfertigkeiten und zahlreichen Teilfertigkeiten:

  1. Eine therapeutische Beziehung herstellen; einschließlich einer reflektierenden Gesprächsführung und kulturellem Verständnis
  2. Die therapeutische Begegnung strukturieren (einem Plan folgen, Gesprächsbeträge des Patienten umlenken)
  3. Ziele setzen und Aktivitäten planen, einschließlich der Vergabe und Sichtung von therapeutischen Hausaufgaben

Als Teilfertigkeiten werden definiert: Gesprächsbeiträge angemessen paraphrasieren, Gefühle oder Erfahrungen spiegeln, die Lebensumstände sowie die Probleme und Stress-Situationen des Patienten anerkennen; eine Verbindung zwischen den Lebensumständen und den emotionalen Erfahrungen des Patienten herstellen.

Diese Fertigkeiten wurden mittels eines PC-gesteuerten Tutorensystems sowie in halbtägigen Lehrveranstaltungen vermittelt.

Zur Überprüfung wurde die erlangte Professionalität in Rollenspielen mit fiktiven Patienten überprüft. Dabei erwiesen sich Studierende, die das Tutorensystem genutzt und das geschilderte Curriculum durchlaufen hatten, gegenüber einer Kontrollgruppe mit herkömmlicher Unterrichtung als erfolgreicher. Die Autoren schlussfolgern, dass sich das Ausbildungskonzept bewährt hat.

Kommentar:
Das Konzept der Verhaltensaktivierung lässt sich unmittelbar auf die Therapie von Lernstörungen übertragen, die zumeist mit einer starken Zurückhaltung beim Lernen verbunden sind (z. B. Kinder / Jugendliche mit Lernstörungen folgen dem Unterricht nur unzureichend, erledigen Arbeitsaufträge ohne Mühegabe oder neigen zu Ausweichmanövern). Landläufig wird dies – zu Recht – als mangelnde Motivation oder unzureichendes Interesse gedeutet sowie auf unpassende Lernbedingungen (langweiliger Unterrichtsstoff, eintönige Bearbeitung etc.) zurückgeführt. In verhaltensanalytischer Sicht stehen jedoch Verhaltensmängel im Vordergrund, die die Lernstörungen fortbestehen lassen. Offensichtlich sind Motivierungen und Verhaltensaktivierung notwendig, um hier Verbesserungen zu erreichen.

Renn, B. N., Areán, P. A., Raue, P. J., Aisenberg, E., Friedman, E. C., & Popović, Z. (2021). Modernizing Training in Psychotherapy Competencies With Adaptive Learning Systems: Proof of Concept. Research on Social Work Practice, 31(1), 90-100. https://doi.org/10.1177%2F1049731520964854