Dezember /

06

/ 2018

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Was wirkt bei Lese-Rechtschreibschwäche?

lauth

Lese-Rechtschreibschwäche ist bei Jungen und Mädchen mit 4-8% nicht nur stark verbreitet, sondern hat berechtigterweise zahlreiche Untersuchungen zur geeigneten Behandlung ausgelöst. Reicht eine symptombezogene Behandlung der Schreib- und Leseschwierigkeiten? Führt ein Training der visuellen oder akustischen Wahrnehmung weiter? Welche Ansätze am wirkungsvollsten helfen untersuchten Professor Schulte Körne und andere Forscher in einer umfassenden Gesamtschau.
Insgesamt 28 Studien zur Verbesserung der Lese-Rechtschreibschwäche wurden in Form einer Metaanalyse auf ihre Wirksamkeit verglichen. Zudem wurde untersucht, ob die Effektivität der einzelnen Interventionen beispielsweise von Zeitdauer und Intensität oder der Ausbildung der Trainingsleiter abhängt.
Insgesamt wurden 2324 Teilnehmer von der zweiten bis zur zehnten Jahrgangsstufe in die Untersuchung eingeschlossen (Kontrollgruppen und Experimentalgruppen).
790 Kinder wiesen einen Prozentrang wert von <= 30 im Leistungsbereich Schreiben und 217 Kinder einen Prozentrang wert von <= 30 im Bereich Lesen auf, dies entspricht einer Leistung im unteren Drittel der Vergleichsgruppe (mindestens 70 % aller gleichaltrigen Kinder sind gleichgut oder besser).
Bei allen Interventionsstudien lagen Vorher- und Nachher Messungen vor. Zudem gab es Kontrollgruppen mit einer anderen Behandlung oder ohne Intervention. Darüberhinaus lagen Informationen zur Durchführung, Dauer und zum Aufbau und Inhalt der Interventionen vor.
Insgesamt ergeben sich höhere Effekte bei kombinierten Lese-Rechtschreibtrainings (ES 0.88) gefolgt von reinen Rechtschreibtrainings (ES 0.78) und Lesetrainings (ES 0.53). Unter anderem waren dies Diktattrainings, lauttreue Lese-Rechtschreibtrainings, systematische Rechtschreibförderung, Regelgeleitete Rechtschreibtrainings mit Fleißbildern. Symptomspezifische Förderansätze (Lesen ES 0.39; Schreiben ES 0.71) waren deutlich wirksamer als Funktions- und Wahrnehmungstrainings (ES-0.19) bei welchen man durch phonologische Trainings, Training auditiver Funktionen (Hörschulung), Training visueller Funktionen sowie Training der audio-visuellen Integration geschult und gefördert hatte.
Die Wirksamkeit der Therapie hängt aber auch von der Sitzungsdauer ab: Längere Behandlungen von mehr als 20 Wochen und gleichzeitiger hoher Anzahl an Minuten Trainingszeit erwiesen sich im Vergleich zu Studien mit kürzerer Trainingsdauer (Bis 10 Wochen ES 0.41, von 10 bis 20 Wochen ES 0.42) als besonders wirkungsvoll (ES 0.82).
Auch die Ausbildung der Trainingsleiter war für den Wirkungsgrad der Studie bedeutsam. Bei Durchführung durch Lehrer (ES 0.67) und Autorenteam (ES 1.04) zeigte sich eine wesentlich höhere Effektstärke als bei Durchführung durch Studenten, und bestimmte Institute (ES 0.07)sowie beim Selbsttraining des Kindes am Computer ohne Interventionsleiter (hierzu liegen keine Effektstärken mehr vor, weil es nur wenige Studien dieser Art gibt).
Bewertung
Die Ergebnisse der Metastudie lassen wichtige Schlüsse für die Praxis zu. Die Förderung sollte unbedingt direkt an den Symptomen d.h. an den individuellen Schwierigkeiten ansetzen und zudem kontinuierlich über einen Zeitraum von mindestens 20 Wochen andauern. Zusätzlich ist der Einsatz von Verstärkungsmaßnahmen (Tokensysteme) aus motivationspsychologischer Sicht sehr zu empfehlen.
Quelle:
Quelle: Ise E., Engel R.R., Schulte-Körne G. (2012). Was hilft bei der Lese-Rechtschreibstörung? Ergebnisse einer Metaanalyse zur Wirksamkeit deutschsprachiger Förderansätze. Kindheit und Entwicklung, 21 (2), 122-136.