Dezember /

06

/ 2018

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Wenn-Dann-Pläne funktionieren bei ADHS

lauth

„Wenn-Dann-Pläne“ verknüpfen eine Situation mit genau definierten Reaktionen. Beispielsweise „Wenn die Lehrerin mit dem „Ruheglöckchen“ klingelt, dann richte ich mich auf und atme dreimal tief durch!“ „Wenn ich die Jacke an den Haken hänge, wasche ich mir danach meine Hände“. Möglicherweise erleichtern sie eine automatisierte Handlungskontrolle und können in der Beratung von Eltern und Lehrern angewandt werden.
Funktioniert das tatsächlich? Lassen sich damit ernsthafte und alltagsrelevante Verbesserungen erreichen? Die Forschergruppe um Caterina Gawrilow meint „ja“, weil solche Pläne die Selbstregulation und Selbstüberwachung von ADHS Patienten unterstützen. Ein Überblick über die bisherigen Studienergebnisse läßt aufhorchen.
Gawrilow et al. berichten von einer Metaanalyse welche 94 Labor- und Feldstudien mit insgesamt 8000 Teilnehmern analysiert (Gollwitzer & Sheran, 2006).
Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigen, das „Wenn – Dann Pläne“ die Umsetzung einer geplanten Handlungen wirksam fördern, obwohl die Bedingungen zum Handeln nicht gut sind (z.B. in den Ferien Schulaufgaben erledigen), obwohl die Handlungen unangenehm sind (z.B. medizinische Untersuchungen), obwohl die Handlungen leicht vergessen werden (z.B. regelmäßige Medikamenteneinnahme). Untersucht wurden Menschen, deren Selbststeuerung aus ganz unterschiedlichen Gründen beeinträchtigt war, beispielsweise wegen Selbstinstruktionsdefiziten, Frontalhirnläsionen oder ADHS. Sie wurden mit unauffälligen Personen verglichen.
“Wenn – Dann Pläne“ erwiesen sich als überraschend wirksam. Sie erhöhten die Fähigkeit der Patienten ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen selbst zu steuern. Beispielsweise bewirken sie, dass dadurch weniger Reaktionskontrolle benötigt wird. Denn es ist klar, was bei „wenn“ zu geschehen hat. Eben das Dann“ – eine feststehende Reaktion. So entsteht ein Automatisierung, der das Arbeitsgedächtnis entlastet.
Die Nützlichkeit lässt sich besonders beim Aufschieben von Bedürfnissen demonstrieren. Beispielsweise konnten ADHS Kinder in einem Computerspiel zwischen einer kleinen und sofortigen Belohnung (1 Punkt=5 Cent) und einer großen aber verzögerten Belohnung (3 Punkte=15 Cent) wählen (Gawrilow. et. al. im Druck). Wenn die Kinder die große aber verzögerte Belohnung wählten, wurde ihr Bedürfnisaufschub durch einen Geldgewinn belohnt. Das gelang den ADHS Kinder nur, wenn sie sich die Anweisung „Immer wenn die kleine Belohnung kommt; dann warte ich auf die große“ gaben. Sie verdienten mit dieser Strategie das Dreifache. ADHS Kinder konnten ihr Bedürfnis ähnlich gut aufschieben wie unauffällige Kinder, was ihnen unter anderen Versuchsbedingungen (Zielabsichten, neutrale Selbstanweisung) aber nicht gelangt.
Gawrilow et. al meinen, dass klare Verhaltensentscheidungen den ADHS Kindern entgegen kommen. Solche Wenn-Dann-Entscheidungen haben sogar eine ähnlich große Wirkung wie Methylphenidat. Sie scheinen die Selbststeuerung zu vereinfachen. Außerdem sparen sie kognitive Ressourcen ein.
Kommentar:
„Wenn-Dann-Abfolgen“ erleichtern offensichtlich die Verhaltenssteuerung von ADHS Kindern. Sie ermöglichen Reaktionskontrolle. Demnach könnte diese Technik auch in der Beratung von Eltern, Lehrern und Erziehern zum Einsatz kommen, z. B.
Beim Ranzenpacken „Wenn ich mit den Aufgaben fertig bist, dann schaue ich auf den Stundenplan und packe den Ranzen für den nächsten Tag“
Beim abendlichen Zubett-gehen, „Wenn ich meine alten Kleider in die Wäschebox gebracht habe, dann lege ich frische Kleider für den nächsten Tag heraus“
Bei Aufgaben zum genauen Hinsehen „Wenn ich das Wimmelbild nach der Maus durchsuche, dann fange ich immer links oben an“
Quelle:
Gawrilow C., Schmitt K., Rauch W. (2011). Kognitive Kontrolle und Selbstregulation bei Kindern mit ADHS. Kindheit und Entwicklung, 20, 41-48 Hogrefe Verlag Göttingen 2011

Gollwitzer,P.M.& Sheeran, P.(2006). Implementation intentions and goal achievment: A meta-analysis of effects and processes. Advances of experimental social Psychology, 38, 69-119.