Juli /

19

/ 2019

article

Lernstörungen, Lerntherapie, Grundlagen der Lerntherapie, Lesestörung, Rechenstörung, Kombinierte Lernstörung, Frühprävention bei Lernstörung, phonologische Fähigkeiten, Teilleistungsstörungen, kognitive Funktionen

Wie entwickeln sich Kinder mit Lernstörungen und ihren kognitiven Funktionen im Verlaufe des Grundschulbesuchs?

Skowronek, M., Schuchardt, K., & Mähler, C.

Kinder mit Lernschwierigkeiten im Lesen, Schreiben oder Rechnen weisen in der Regel auch kognitive Defizite allgemeiner Art auf, beispielsweise Beeinträchtigungen im Arbeitsgedächtnis und in der phonologischen Informationsverarbeitung und ein vermindertes Selbstkonzept in Bezug auf Lesen und Schreiben. Wie entwickeln sich diese Beeinträchtigungen im Verlaufe des Schulbesuchs?

Um diese Frage zu klären, wurde eine zweijährige Längsschnittstudie durchgeführt. Die Schulkinder waren bei Beginn 8;9 Jahre alt. Sie wiesen entweder eine Kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz (n = 30, IQ ≥ 85) oder Lernschwierigkeiten bei unterdurchschnittlicher Intelligenz im Rahmen einer Lernbehinderung (n = 15, IQ < 85) auf. Zur Kontrolle wurden lernunauffällige Kinder mit mindestens durchschnittlich intelligenten Grundschulkindern (n = 55, IQ ≥ 85) herangezogen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die schulischen Defizite bei beiden Gruppen mit Lernschwierigkeiten zeitlich stabil bestehen blieben. Bezüglich aller Komponenten der kognitiven Funktionen und der Entwicklung des schulischen Selbstkonzepts konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Lernstörungsgruppen gefunden werden, jedoch unterscheiden sich beide Gruppen signifikant von der Kontrollgruppe der unauffälligen Lerner.

Die Autoren maßen die Veränderungen in den Lernbeeinträchtigungen und in den kognitiv-motivationalen Beeinträchtigungen in fünf aufeinanderfolgenden Zeitpunkten zwischen dem Ende des 2. und dem Ende des 4. Schuljahres. Sie erfassten die phonologische Bewusstheit, das phonologische Rekodieren, die phonologische Schleife, zentral-exekutive Arbeitsgedächtnis, die Fähigkeiten im Lesen und Schreiben sowie das darauf bezogene Selbstkonzept.

Im Ergebnis verbesserten sich die lernauffälligen Kinder gegenüber ihren Ausgangsleistungen im Lesen und teilweise im Rechnen. Die Unterschiede zwischen ihnen und lernunauffälligen Kindern verringerten sich also. Bei den kognitiven Funktionen (Arbeitsgedächtnis, phonologische Funktionen) blieben die Niveauunterschiede zwischen den drei Gruppen jedoch erhalten. Demnach empfehlen die Autoren eine spezielle Förderung dieser Kognitionsbereiche. Denn sie werden durch die Altersentwicklung und die Beschulung nicht aufgehoben. Beim Selbstkonzept zum Lesen und Schreiben bleiben die Unterschiede zwischen den drei Lerngruppen ebenfalls bestehen; die Kinder mit Kombinierten Lernstörungen sowie die Kinder mit Lernbehinderung unterscheiden sich auch in der Abschlussmessung am Ende des 4. Schuljahres von den unauffälligen Kindern.

Kommentar:

Die Studie verweist darauf, dass sich die Lernschwierigkeiten und ihre kognitiv-motivationalen Anteile nicht von allein verbessern. Zwar ergeben sich relative Verbesserungen im Verlaufe der Altersentwicklung bzw. Beschulung. Die Unterschiede zwischen den lernauffälligen und lernauffälligen Kindern bleiben aber nahezu durchgängig bestehen. Spezifische Fördermaßnahmen, die sich auch den kognitiv-motivationalen Störungsanteilen zuwenden, sind also erforderlich. Die Kinder mit Lernbehinderung und die Kinder mit Kombinierter Schulleistungsstörung erreichen teils unterschiedliche Ergebnisse. Demnach meinen die Autoren zu Recht die Frage, dass es charakteristische Unterschiede zwischen beiden gibt.

Skowronek, M., Schuchardt, K., & Mähler, C. (2019). Die Entwicklung von Kindern mit umfassenden Lernschwierigkeiten im Verlauf der Grundschuljahre–Schulleistungen, Arbeitsgedächtnis, phonologische Informationsverarbeitung und Selbstkonzept. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 32, 223-236.